Zurück zu allen Events

frogsky


  • Galerie Heike Strelow 31 Lange Straße Frankfurt am Main, HE, 60311 Deutschland (Karte)
 

frogsky

31.01.2025 – 25.03.2025
felix becker
Galerie Heike Strelow

Eröffnung am Freitag, 31. Januar 2025, 19 Uhr

Eine Archäologie der Malerei

„What gets in the way, for me, is not so much the presence of figuration but the sense that one should look for it.“ (Jonathan Griffin, Frieze, 2024)

Felix Beckers jüngste Arbeiten tragen eine leise Konnotation in sich: von vagen Erinnerungen, Momente, die eher sensorisch, sinnlich heraufbeschworen werden durch Düfte und taktiles Erleben. Zugleich umkreisen die 18 neuen Gemälde und Skulpturen, allesamt im Jahr 2024 entstanden, malerische Phänomene, deren Wurzeln tief in die Kulturgeschichte des Mediums greifen. In deren Unterbewusstsein liegt eine unscheinbare Fotografie verborgen – eine Aufnahme aus dem Jahr 1992, die einen Blick aus dem Fenster in den Himmel zeigt. Dieses vermeintlich unauffällige Bild entpuppt sich als subtiles Leitmotiv, das Beckers malerische Explorationen durchzieht. Ein überraschender Ausgangspunkt, bedenkt man, dass sein Œuvre in erster Linie der abstrahierenden Materialität verpflichtet ist.

Mit Leon Battista Albertis bedeutenden Traktat von 1435, welches das Fenster als una finestra aperta zur zentralen Metapher der Malerei erhob, wurde der Blick durch das Fenster gleichsam zum Blick in die Welt. Diese tradierte Analogie, die ihren Höhepunkt wohl in der Trompe-l’œil-Malerei findet, repräsentiert eine Seite des malerischen Spektrums. Auf der anderen Seite steht die Abstraktion – der radikale Verzicht auf Figuration. In dieser Spannung zwischen Gegenständlichkeit und deren Negation entfaltet sich Beckers Praxis.

Seine bisherigen Arbeiten zeichnen sich durch eine beinahe makellos glatte, fast abweisende Oberfläche aus, deren Schichten aus Ölfarbe sich wie eine schimmernde Versiegelung über die naturbelassene Leinwand legen. Ihre changierenden Töne erinnern an die verführerische Tiefe der Ölmalerei alter Meister und entziehen sich trotz der minimalistischen Präsenz zugleich der Rationalität der Farbfeldmalerei oder kontrastreichen Hard-Edge-Malerei. Doch ein bestimmter Impuls durchzieht Beckers jüngstes Werk in neuer Eindeutigkeit: die Einführung figurativer Elemente, die seine malerische Sprache differenziert erweitern.

Mit 16 neuen Gemälden und zwei plastischen Arbeiten befragt der in Frankfurt geborene Künstler die fragile Beziehung zwischen Abstraktion und Figuration. Dabei kommen zentrale Spannungsfelder der Malerei zur Sprache: Wann erhebt sich Material zum Bildgegenstand? Wie interagieren sich Haptik und Sinnlichkeit in einem der ältesten künstlerischen Medien? Diese selbstreflexiven Fragen markieren Beckers Werk und manifestieren sich in landschaftlichen Phänomenen, die in seiner charakteristischen Handschrift verhandelt werden. Einritzungen, Kurven und Linien treten stärker hervor als zuvor und legen das Palimpsest darunterliegender Schichten frei. Beckers Malerei offenbart sich als Prozess, als fortwährende Überlagerung und Durchdringung – ein Wechselspiel von Opazität und Durchlässigkeit.

In Ohne Titel (Canopy) erstreckt sich ein steiler Bogen über eine 152 x 252 cm große Leinwand, getaucht in sanftes Blaugrau. Ein Hauch von Rot schimmert in den Tiefen der Malschicht, während die Form, entstanden durch die haptischen Spuren von Spachtelbewegungen, wie ein Gleitschirm über den Horizont segelt. Die glatte, mit körperlicher Anstrengung erzeugte Ölschicht wird durch subtile Eingriffe durchbrochen, die Beckers minimalistischen Zugang zur Materialität bezeugen. Ebenso reduziert, aber nicht minder suggestiv, wirkt Ohne Titel (Trails): Von Azurblau bis blassem Rosa erstreckt sich die samtige Oberfläche, durchkreuzt von drei Linien, die an Kondensstreifen am Himmel erinnern. In Ohne Titel (Trails 2), dem visuellen Gegenstück, wird dieses Thema erneut aufgegriffen und variiert, was den Arbeiten eine dialogische Geschlossenheit verleiht. Beinahe jedes der 16 Gemälde findet in einem proportionalen und visuellen Gegenstück sein Pendant. Ein unterschwelliges Dialogspiel, dass der Serie eine innere Kohärenz und rhythmische Harmonie verleiht. Werke wie Ohne Titel beschwören durch monochrome Farbgebung und glatte Texturen das Gefühl eines wolkenlosen Himmels, dagegen stellt Ohne Titel (Moon), eine skulpturale, halbkugelförmige Arbeit zwischen Shaped Canvas und Objekt, in hellem Gelb die Ansammlung von Ölfarbe selbst in den Vordergrund.

Von himmlischen Sphären wendet sich Becker irdischen Phänomenen zu. In Ohne Titel (Race Spectators) bilden organische Linien ein dichtes Geflecht, das von der Abstraktion ausgehend an topografische Karten anmutet. Auch wenn gilt, “the map is not the territory” (Alfred Korzybski, A Non-Aristotelian System and Its Necessity for Rigour in Mathematics and Physics, 1931), so evoziert die malvefarbige Oberfläche zugleich die Bildatmosphäre einer abendlichen Wüstenlandschaft, in deren „Tälern“ sich die blaue Ölfarbe wie Flüsse durchzieht. Dabei liegt Becker mit diesen händisch eingezogenen Rillen die Motivik der genialen Künstlerhand gänzlich fern. Ein sonst gängiger Moment, um die physische Präsenz des Autors im Werk zu verankern.

Statt expressiver Gesten sind es präzise Einschnitte, die die Materialität der Oberfläche betonen. Diese kalkulierte Setzung spiegelt sich auch in Werken wie Ohne Titel (Shoal 5) wider, wenn eine kühle, hellblaue Fläche mit kleinen Einkerbungen übersät ist, ehe sie sich nach oben perspektivisch verdichten und an Wasserbewegungen oder Kratzspuren im Eis erinnern. In Ohne Titel (Air) scheint dagegen die Hitze flimmernder Luft förmlich greifbar. Wellenartige Linien prägen die blaugraue Farboberfläche und lassen den roten Untergrund erahnen, während Ohne Titel (Shoal 4) mit dunklem Lila und Nachtblau die Tiefe einer nächtlichen Landschaft beschwört: Kurze, fast skulpturale Bewegungen durch malerische Materie enthüllen darunterliegende grüne Schichten, die an eine Wiese oder Glühwürmchen denken lässt. Ebenso ruhig wiegen sich die Linien in der hochformatigen Arbeit Ohne Titel (Reed) gegeneinander, wie Schilfgräser im Wind. Wie eine Pfauenfeder schimmern die violetten, blauen und grünen Töne im Licht, wandeln sich je nach Perspektive.  

Die Werke changieren zwischen Farben und Form, Abstraktion und Figuration. Sie fordern eine Neuausrichtung des Blicks, ein Aushalten des Ungenauen, ein Verweilen im Schwebezustand. Becker lädt dazu ein, die Erwartungshaltungen an die Malerei zu hinterfragen: Wie viel Figuration suchen wir in der Abstraktion, und warum sehnen wir uns danach? Dieses Wechselspiel, dieses oszillierende Spannungsverhältnis wird zur Einladung, sich der Malerei als Prozess zu nähern – vorsichtig, fast tastend, wie einer Erinnerung, die sich nur langsam entfaltet.

Das Foto aus dem Jahr 1992, kaum verblasst, zeigt das Kinderzimmer im Gegenlicht eines sonnigen Tages. Auf der Fensterscheibe klebt eine kleine Figur aus Pappe und Transparentpapier – ein Frosch am Himmel. Frogsky.

Galerie Heike Strelow
Lange Straße 31
60311 Frankfurt am Main

Tel. +49 69 48 00 54 40

Mo, Mi–Fr 12–18 Uhr
Sa 12–15 Uhr u.n.V.

Mehr erfahren

 
Zurück
Zurück
31. Januar

EUROPÄISCHE PORTRÄTS

Weiter
Weiter
1. Februar

Picobello!