PPC Philipp Pflug Contemporary
05.02. - 19.03.2022
Stehn Raupach
Emotional Jetlag
„Mich interessierte, wie minimal das Bild sein kann! Ich stelle mir häufig die Fragen: Wie wenig ist genügend? oder: Wie relevant ist wenig? - Die leere Fläche ist für mich dabei auch ein Zeitgeber - Zeit, die es braucht, um zu fühlen und zu denken. Diese Leere fokussiert, entspannt und regt mich häufig an.“
Die aktuellen Gemälde Stehn Raupachs sind im Motiv auf wenige monochrome, geometrische Flächen und Formen ohne räumlicher Umgebung reduziert. Diese Formen scheinen kohäsiv, sich einander anzuziehen, miteinander zu interagieren und Agglomerate zu bilden.
In einzelnen Flächen sind kleine Objekte zu erkennen, wie beispielsweise die Bullaugen in den beiden, vertikal übereinanderliegenden, runden Flächen in N.EG., das Holzhaus in N.NÉ., die Holzmauer mit Busch in N.KE. oder die beiden geisterhaft erscheinenden Köpfe, sowie der kryptische Schriftzug in N.HÁ. Die Ton-in-Ton gehaltenen Motive sind Erinnerungen; Vorlage sind u.a. die sogenannten „Margarinefiguren“, Figuren aus Kunststoff, die es zwischen 1950 bis 1954 hauptsächlich in den deutschsprachigen Ländern als Produktzugabe zu Margarine gab.
Diesem Verbund aus Formen, Flächen, sowie kleinen Motiven haftete etwas Surreales an. Scheinen sich in den neuen Gemälden die einzelnen Elemente einander anzuziehen und so die Grundlage komplexer Strukturen zu bilden, wirken die im chromatischen Effekt gemalten Bilder sich aufzulösen, zu verflüssigen und zu zerfließen. Vorlagen sind hier zumeist persönliche Fotografien, die am Computer in Bildbearbeitungsprogrammen nach Schematisierungsverfahren überarbeitet und verändert wurden.
Die aktuellen Arbeiten scheinen im Vergleich zu den chromatischen Gemälden farbiger, Raupach reduzierte jedoch seine Farbpalette auf etwa einen Duzend, überwiegend dunkle Pigmente. Ein Pinselduktus ist in den neuen Gemälden Stehn Raupachs ebenso nicht zu erkennen. Linien scheinen sich aufzulösen. Die Unschärfe wird nach Auftrag der Ölfarben durch das wiederholte Tupfen eines stumpfen Pinsels erzeugt. Das Ergebnis ist eine Weichzeichnung des Bildes. Hierdurch wirkt das Bild rätselhaft, romantisch oder traumhaft. In den letzten Jahren hat Raupach nun eine Maschine entwickelt, die ihm dabei unterstützt, diese Weichzeichnung zu erzeugen.
Unter dem Titel EMOTIONAL JETLAG sind Gemälde zu sehen, die zwischen 2020 bis 2022 entstanden sind. Ein Jetlag ist eine vorübergehende Befindensstörung und bezeichnet die Schwierigkeit des Körpers, seinen natürlichen, biologischen Rhythmus nach einer Reise anzupassen. Nach Perioden intensiver Emotionen und Ängste gehen Geist und Körper in einen emotionalen Jetlag-Modus über. Man fühlte sich wie Falschgeld - nicht richtig hier, nicht richtig da - Emotional ausgewrungen und mitunter distanziert. Wir alle haben in den Pandemie-Jahren dies erlebt. Unser zwischenmenschliches Miteinander ist anfangs zum Erliegen gekommen. Nun sind wir dabei, diesen emotionalen Jetlag zu überwinden. (Bernd Reiss)