Galerie Heike Strelow
09.09. - 22.10.2022
Starsky Brines, Hendrik Zimmer
In Dialoge
Gleichzeitig möchte wir mit Ihnen auf das 15-jährige Bestehen der Galerie Heike Strelow anstoßen. Für diese Ausstellung sind die beiden für ihre kraftvollen Bilder bekannten Künstler in den Dialog mit dem Werk des jeweils anderen getreten. So präsentieren wir neben Arbeiten aus den neusten Serien von Starsky Brines und Hendrik Zimmer auch Werke, die aus diesem künstlerischen Dialog entstanden sind. Dabei trifft der gestische Duktus in der sich zwischen Figuration und Abstraktion bewegenden, expressiven Malerei von Brines auf Zimmers neueste Serie abstrakter, reduzierter und vergleichsweise flächiger Farbholzschnitte auf groben Leinwänden. Die Ausstellung hebt jedoch nicht nur die formale und inhaltliche Verschiedenheit der beiden hervor, sondern zeugt auch von ihrer künstlerischen Nähe.
Wenn Hendrik Zimmer betont, dass seine Bilder aus „dem Machen, der Arbeit, dem Zyklus“ entstehen, könnte er auch über Starsky Brines Arbeiten sprechen. Beide Künstler entwickeln ihr künstlerisches Werk permanent weiter. So führt sie die Arbeit an einem sich gerade im Prozess befindlichen Bild gleichzeitig zu Ideen und Ansätzen für weitere Werke. Für beide ist alles im Prozess, im Fluss. So ist es auch nur konsequent, dass sowohl Brines als auch Zimmer betonen, dass für sie der künstlerische Prozess das zentrale Moment in ihrem Werk und ihrem Leben ist. Beide sind getrieben von dem Gedanken, dass sie nur die permanente Beschäftigung mit ihren Bildern und den damit verbundenen Arbeitsprozessen qualitativ weiterbringen kann.
Ihre Anstöße erhalten beide aus „ihrer Faszination für die Welt, ihrer Schönheit und ihren Abgründen“ (Zimmer), die sie mit ihren unterschiedlichen Mitteln jeweils in ihre Bilder übersetzen. Während Brines dabei auf seine menschlichen und tierischen Charaktere und seine expressive künstlerische Sprache, die zwischen Malerei und Zeichnung oszilliert, zurückgreift, setzt Zimmer insbesondere in seinen jüngsten Bildern auf eine klare, geometrische Sprache.
Abstrakte Formen und Objekte setzt er so zusammen, dass Räume und Zwischenräume entstehen, welche die Betrachter mit eigenen Assoziationen füllen können.
Starsky Brines' Gemälde und Zeichnungen faszinieren durch ihren expressiven Stil und ein wiederkehrendes Thema: die Suche nach dem Wesen des Menschen. In seinen ausdrucksstarken Werken konzentriert sich der Künstler auf Figuren, die aus der Kombination von menschlichen und tierischen Attributen entstehen. Seine Figuren bewegen sich in einer Realität von Subkultur und Urbanismus, was in den Bildern durch den gestische Ausdruck seiner Striche und einer Neuinterpretation der zeitgenössischen Bildsprache deutlich wird. Zugleich verzerren diese Figuren die Wirklichkeit und erinnern an die Welt des Theaters, in der Fantasie und Poesie, aber auch Komik oft als Katalysatoren einer Gesellschaftskritik dienen. In seinen Werken hinterfragt Brines das Zusammenspiel von Gut und Böse vor dem Hintergrund der sozio-politischen Situation in Venezuela und weltweit. Dabei interpretiert er seine Themen nicht als "schwarz und weiß", sondern vielfarbig, nicht linear, sondern mit charmanten Brüchen, durchaus ernst und doch voller Humor.
Beeinflusst von seiner Mutter, die farbenfrohe Puppen für den karibischen Karneval herstellt, und kunsthistorisch von der figurativen Kunst Lateinamerikas, dem deutschen Neo-Expressionismus, der italienischen Transavantgarde und der COBRA-Gruppe geprägt, bewegen sich die Werke des Malers zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Malerei und Zeichnung. In Brines Bildern stehen diese verschiedenen Elemente nicht nebeneinander auf der Bildfläche, sondern sind fließend mit einander verwoben. So besitzen viele von Brines Figuren Gesichter aus verschiedenen Farbflächen, stärker ausgearbeitete Elemente lösen sich skizzenhaft auf. Dies unterstreicht den expressiven Charakter der Werke, zeugt aber auch von Seinen Brines virtuosen Umgang mit den verschieden Medien und Genres. Brines hat sein Studium der Bildenden Künste am Instituto Universitario de Estudios Superiores de Artes Plásticas Armando Reverón in Caracas abgeschlossen. Seine Werke haben invielen Ausstellungen internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sind in bedeutenden Sammlungen repräsentiert, unter anderem in der Burger Collection, Hongkong, der Sammlung Tobias Hauri, Zürich, der Fundacion Maria Christina Masaveu, Madrid, dem Koo House Museum of Art & Design Collection, Seoul, der Sander Collection, Darmstadt/Riehen sowie dem National Museum of China.
Während Hendrik Zimmers Arbeiten bisher den malerischen Duktus betonen und mit verschiedenen Techniken experimentieren, konzentriert er sich in seiner neuesten Serie auf die Holzschnitttechnik, ein altes Bildverfahren, das er neu interpretiert. Forcierte Umrisszeichnungen, Stilisierung der Fläche, die Tendenz zu geschlossenen Farbflächen und strenger Geometrisierung bringt diese Technik mit sich, die Zimmer ganz gezielt in seine klaren, kraftvollen Bilder integriert. Dabei experimentiert er mit unterschiedlichen Farbdichten, Farbintensitäten und Strukturen und knüpft so an das für ihn charakteristische Spiel seiner früheren Werke an, das zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, zwischen Bildoberfläche und Bildtiefe oszilliert. Seine Bildsprache entwickelt Zimmer, indem er Formen und Objekte aus verschiedenen Kontexten zusammenbringt. Daraus entwickelt er eigene Bildwelten, die nichts ‚abbilden‘, sondern etwas ganz Eigenständiges sind. Sie entstehen aus Zimmers „Faszination für die Welt und ihre Menschen, ihre Schönheit und ihre Abgründe“, deuten Bekanntes an, erlauben jedoch dem Betrachter, die entstehenden Räume mit eigenen Beobachtungen, eigenem Erlebten und eigenen Erfahrungen zu füllen. Zimmer geht es in seinem Werk um „die Wahrhaftigkeit des Suchenden, um Prozess und Veränderung“. Dies zeigt sich nicht nur in der offenen Lesbarkeit seiner Bilder, sondern auch durch die Sichtbarkeit seiner Arbeitsprozesse. Das Machen, der künstlerische Prozess, die Veränderung des Bildes, aber auch dessen Wahrnehmung, all das ist Zimmers künstlerische Antriebsfeder.
Seine neuen Werke unterstreichen noch einmal Zimmers Liebe zu Plakaten, Buchillustrationen, jeglichem Druckwerk. Nutzte er Druckwerke vorher als Material oder inhaltliche Vorlage, wendet er sich nun der Technik des Holzdruckes zu, dem ältesten Verfahren Bilder zu vervielfältigen. Zimmer knüpft dabei wie die Künstler der europäischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts an die Technik der großen japanischen Holzschnittwerkstätten an, die seit dem 10. Jahrhundert mehrfarbige Drucke herstellten. Dies ermöglicht ihm ein Spiel mit einer vielfältigen Farbigkeit, mal leuchtend, mal gesättigt. Die Verwendung etwas gröberer Leinwände, das Experimentieren mit Papier als zusätzlichem Träger eröffnen Zimmer zudem weitere große Variationsmöglichkeiten im Umgang mit der Farbe. Es entstehen Unikate, die Anklänge an Kunstwerke der 20er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts haben, die aber zugleich unverkennbar Zimmers Handschrift besitzen. Arbeiten des ehemaligen Städelschülers finden sich in wichtigen Sammlungen in Europa, Nord- und Südamerika, darunter auch großformatige, ortsspezifische Werke.